
Über dem Meer tanzt das Licht
Meike Werkmeister
Sehnsucht nach Meer
Ich liebe es, in den Urlaub zu fahren, aber ich hasse Koffer packen. Schon im Vorfeld weiß ich nämlich, dass ich irgendetwas vergesse, ich weiß natürlich nur nicht, was! Umso schöner, wenn man auf der heimischen Couch sitzen oder in der Hängematte schaukeln, ein Buch aufschlagen und reisen kann, wohin man will. Ohne schweres Gepäck, Warteschlangen am Check-in oder Taxi-Rennfahrer, die einen zum Hotel bringen, das mit dem Bild aus dem Internet leider so gar keine Ähnlichkeit hat.
Als ich „Über dem Meer tanzt das Licht“ gelesen habe, hatte ich das Gefühl, ich wäre tatsächlich auf Norderney und wüsste genau, wo Marias Café Strandmuschel ist, welchen Weg sie zum Haus ihrer Mutter radelt und natürlich, wo die besten Wellen zum Surfen sind (dabei kann ich gar nicht surfen… :-)) Meike Werkmeister gelingt es, LeserInnen wie mir, mit Worten die Insel zu zeigen und sie fühlen zu lassen. Sei es den Wind auf der Haut, den Sand zwischen den Zehen oder den Salzgeschmack auf den Lippen, obwohl sie noch nie dort waren.
Aber worum geht’s nun eigentlich im Buch? Es ist ja ein Roman und kein Reiseführer…
Die abenteuerlustige Maria findet ihr Glück auf der Nordseeinsel Norderney. Alles scheint perfekt. Als ihr Freund Simon sich mit der gemeinsamen Baby-Tochter Hannah eine Auszeit an der Atlantikküste nimmt, muss sich Maria mit Themen beschäftigen, die sie zum Teil schon länger vor sich herschiebt. Ihre größte Aufgabe ist die Entscheidung, was sie mit dem Haus ihrer verstorbenen Mutter machen soll. Der Verkauf würde dringend benötigtes Geld, z. B. für Reparaturen am Dach ihres Cafés Strandmuschel bringen. Aber in diesem Haus wuchs ihre 11-jährige Tochter Morlen bei ihrer Oma auf, solange Maria ihrem Freiheitsdrang folgte und die Welt bereiste.
Maria stellt sich die Frage nach ihrer eigenen Identität. Steckt in ihr noch die Abenteurerin, die sie einst war? Wie steht es um ihre Beziehung zu Simon? Er meldet sich immer seltener bei ihr, dafür zeigen andere Männer Interesse. Die größte Frage ist aber: wer ist ihr Vater? Sie hat ihn nie kennengelernt und ihre Mutter hat nie von ihm erzählt. Als sich Maria gezwungenermaßen mit dem Haus beschäftigt, findet sie die Tagebücher ihrer Mutter, die direkt an sie gerichtet sind und ihr wichtige Antworten liefern.
Das Setting auf der Insel Norderney bringt ein Gefühl von Leichtigkeit in die Geschichte, die sehr viele Themen in unterschiedlicher Intensität abdeckt. Man feiert gern das Inselfest, hört Toni`s Gesang am Wohnwagen zu und spürt die (Un)Geduld der Surfer, die auf ihren Brettern sitzend auf die perfekte Welle warten und die Beine im Wasser baumeln lassen.
Die Geschichte ist berührend, spannend, humorvoll und eine Einladung an die Nordsee zu reisen – sei es physisch oder einfach durch Meike Werkmeisters wunderbaren Worte.
Vor ein paar Wochen tauchte ich selber meine nackten Füße in den Nordseestrand, nicht auf Norderney, aber das macht nichts, denn das Gefühl ist überall gleich.

Das Meer rollt Wellen an den Strand, nimmt sie wieder mit, bringt neue. Beruhigend, abenteuerlich, gefährlich und sehnsuchtsvoll zugleich übt es auf den Menschen seine Wirkung aus. Es erdet uns, flößt Respekt ein, weckt Fernweh, streut Ideen aus, versprüht Zauber, beherbergt eine eigene Welt in sich, spielt mit der Zeit, lässt sich nichts sagen, nimmt sich, was es braucht.
Die Füße in den Sand zu graben, sich Schritt für Schritt voran zu arbeiten, während einem der Wind die Haare ins Gesicht bläst und die Kite-Surfer übers Wasser jagt, wirkt, als wäre man wie Obelix in den Kessel Zaubertrank gefallen und hätte nun unendlich viel Kraft um sich allem in den Weg zu stellen, was da kommen möchte. Und wenn es ein Strandkorb ist, dann setzt man sich einfach rein und liest ein gutes Buch.