Kurzgeschichten

Himbeeren mit Sahne im Ritz

Zelda Fitzgerald

Die Stärke der Frauen

Das Ritz-Carlton übt seit jeher eine besondere Anziehungskraft aus. Es ist so vornehm und daher Heimat für besonders wichtige Gäste, Staatsmänner, gekrönte Häupter – und mich! 

Ja, auch ich durfte mal eine Nacht im Ritz-Carlton in Berlin schlafen, als ich mit meiner Schwester auf einem Konzert war. Just an dem Tag, als Ex-US-Präsident Obama ebenfalls dort nächtigte. Anscheinend hat er sogar den Fitnessraum aufgesucht und trainiert, während wir faul im Bett lagen und unsere zusammengekreischten Stimmbänder pflegten. 

Im Frühstücksraum sah es aus wie im Spionagefilm. Anzugträger mit Knopf im Ohr, die uns grimmig beobachteten. Ich weiß nicht, ob es darum ging, nicht zu viel Rührei zu nehmen (Aber, hey! Da kenne ich nix! Nicht mal für den Präsidenten – von welchem Land auch immer – würde ich darauf verzichten!) oder wir bereits durch bloße Anwesenheit unter Verdacht standen. Auf den Dächern der umliegenden Häuser waren Scharfschützen positioniert, die durch ihre Linsen vermutlich ebenso beobachteten, ob wir das Messer auch tatsächlich nur dazu benutzten um unsere Semmel aufzuschneiden. Unter diesen Umständen frühstückt es sich nicht ganz so entspannt, wenn man nicht weiß, ob man sich mit seiner Rührei-Plauze flach (so flach das halt noch geht…) auf den Boden werfen muss oder man in Ruhe zu Ende essen kann. 

Der ein oder andere möchte bestimmt wissen, ob wir Mister Obama gesehen haben. Haben wir! Als er in seinem Dienstwagen, dem Beast, aus der Hotelgarage gefahren ist, äh, natürlich wurde. Zum Glück musste keine von uns niesen, sonst hätten wir den Konvoi in dieser Zehntelsekunde glatt verpasst. 

In Zelda Fitzgeralds Buch spielt das „Ritz“ trotz des Titels gar keine so große Rolle. Es ist aber einer von vielen Orten, an den uns die Frau von F. Scott Fitzgerald mitnimmt. In elf Erzählungen begeben wir uns auf eine Reise mit Gracie, Gay, Harriet, Helena, Lou, Caroline, Eloise, Ella, Lola und  auch Belanova. Eine Reise in Großstädte, die schon immer eine besondere Anziehungskraft ausgestrahlt haben wie New York und Paris. Eine Reise in die Provinz der Südstaaten, in die Provence, per Schiff. 

Immer auf der Suche nach der Liebe, dem Glück, Erfolg oder auch dem „Mehr“ im Leben. 

Die Frauen sind naiv, verträumt, rebellisch, oberflächlich, einsam, stark, neugierig, mutig, lustig, einfallsreich, talentiert… 

Aus jeder Erzählung kann man eine Botschaft für sich mitnehmen. Ab und zu bietet es sich an, 1920 mit 2020 zu vergleichen. Inwieweit hat sich das Bild bzw. die Rolle der Frau, aber auch die Gesellschaft im Allgemeinen entwickelt oder auch verändert?

Insbesondere ist mir das bei der Erzählung „Die erste Revuetänzerin“ aufgefallen. Hier sitzt übrigens die Tänzerin Gay im Japanischen Garten des „Ritz“ und isst Himbeeren mit Sahne. 

SPOILER!!! – Kürzestfassung: Gay ist immer sehr beschäftigt um der Langeweile zu entgehen. Sie reist viel und ist oft schwer erreichbar, was ihr etwas Mysteriöses verleiht. Am Ende stirbt sie allein in Paris. 

Wie denken wir heute über das Leben und wie es sein sollte? Wer nicht viel beschäftigt ist und schwer erreichbar, kann unmöglich ein aufregendes Leben führen. Dennoch erhalten wir nur das oberflächliche Bild, von dem der Absender glaubt, es in die Welt schicken zu müssen um von Bedeutung zu sein. Ist es schlimm zu sagen, ich habe heute Zeit? Ich hab gar nichts vor am Wochenende. Wir können uns ganz spontan auf einen Kaffee treffen ohne vorher durch unsere Terminkalender zu blättern und mal „ganz lose“ den Donnerstag in 8 Wochen festzuhalten? 

Aber lest selber, welche Botschaft die Revuetänzerin Gay in euch erweckt. 

Sprachbegeisterte werden in jeder Erzählung wahre Leckerbissen finden. Beschreibungen von Städten und Landschaften lassen uns glauben, wir wären wie in einem Film dabei. Bilder, die sich einprägen. Bitte schön, ein paar Beispiele zur Einstimmung:

„Wäre sie ein ausgelassener Mensch gewesen, hätte sie einen Hüpfer gewagt und wäre den Rest der Strecke geschlittert. Tat sie aber nicht – sie ging seitwärts, um nicht auszurutschen.“

Aus: Die Leinwandkönigin

„(…) obwohl sie selbst bei den feierlichsten Anlässen nie anders aussah als eine sehr junge Frau mit sehr sauberen Ohren.“ 

Aus: Das Mädchen, das dem Prinzen gefiel

„Man empfindet immer tiefes Bedauern, wenn man etwas unvollendet zurücklassen muss, aber das hängt mit der allgemeinen Enttäuschung über einmal gemachte Fehler zusammen.“

Aus: Mädchen mit Talent

„Ihre Augen waren so klar, dass man die Mechanik dahinter zu erkennen meinte.“

„Einer hatte ein Gesicht so offen wie ein gesprengter Safe.“

Aus: Ein Mädchen aus einfachen Verhältnissen

„bei „Delmonico`s“ gibt es Essen, das nach Ozeandampfer schmeckt“

„der Salat bei „Hicks“ ist eine Pracht, alles glänzt und kullert über den Teller wie die Juwelen eines Maharadschas“

„Kirschen, die wie Christbaumkugeln leuchten“

Aus: Von Europa aus betrachtet

„In der Gegend von Hyères ist die provenzalische Küste mit Zeit übersät und von Erinnerungen zerklüftet.“

Aus: Andere Namen für Rosen

„Himbeeren mit Sahne im Ritz“ ist für alle, die sich während kleiner Zeitfenster mit anregenden Geschichten verwöhnen möchten, die kein Fast Food, sondern eher Gourmethäppchen sind. 

Viel Spaß beim Lesen – gerne auch mit Himbeeren und Sahne, eure Ella!

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