
Am Horizont wartet die Sonne
Meike Werkmeister
Fremde Post soll man doch nicht lesen…
…aber wenn man dadurch eine Liebe vereinen kann, ist es wohl in Ordnung, oder nicht? Als Murmel, der Hund der Protagonistin, Autorin Katrin, am Flughafen einen Brief findet, der nicht irgendein Brief ist, sondern ein Liebesbrief an einen gewissen Filippe in Portugal, beschließt Katrin, diesen höchstpersönlich zuzustellen. Auf die Post ist ja heutzutage auch kein Verlass mehr, da muss man die Dinge schon selbst in die Hand nehmen. Mit im Gepäck hat Katrin nicht nur besagten Brief und ihre Cousine Julia, sondern auch eine Schreibblockade und ein schlechtes Gewissen, weil sie durch eine Affäre ihre Ehe zerstört hat und ihr Bald-Ex-Mann mit seiner neuen Freundin eine Beziehung führt, wie sie beide es nie geschafft, aber sich wohl beide erhofft haben.
Meike Werkmeister hat mit der portugiesischen Halbinsel Marial ein wunderbares Setting geschaffen, das man leider nur in ihren Zeilen erleben darf. Der Ort ist zwar ausgedacht, dafür mit allem Drum und Dran: einem netten kleinen Hotel, in dem Katrin und Julia wohnen, einer urigen Taberna und einem Strandcafe, in dem sich auch die Surfer treffen, sollten sie sich von den Wellen losreißen können.
Während Katrin sich mit der Aufgabe beschäftigt, Filippe zu finden und ihn mit Zoe, der Absenderin des Briefes zusammen zu bringen, muss sie sich unweigerlich einerseits mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen und den Fehlern, die sie darin begangen hat, andererseits aber auch mit ihrer Zukunft. Es ist nämlich so, dass Surflehrer Daniel nicht der Einzige ist, der Interesse an ihr zeigt. Mal mehr, mal grummliger. Nein, auch Filippe, der doch eigentlich zu Zoe gehören sollte. Katrin lernt Filippes Familie kennen und als Leser taucht man dadurch noch tiefer in die portugiesische (Familien)Kultur ein. Hier ist vielleicht was los. In dieser Familie gibt es eine Menge Geheimnisse, die Katrin nicht loslassen. In ihrer Obsession, eine verlorene Liebe wieder zusammen zu führen, wühlt sie mächtig Staub auf und hat aller Hand zu tun, um das Chaos wieder in Ordnung zu bringen. Da hilft es auch nicht mehr, in stoischer Ruhe eine Wand zu fliesen.
Für mich ist Meike Werkmeisters Sommerroman „Am Horizont wartet die Sonne“ ihre stärkste Geschichte, da sie mit zahlreichen Überraschungen und tiefgründigen Konflikten gespickt ist. Mit ihrer wunderbar bildlichen Sprache fällt es sehr leicht, sich in die Orte und Figuren hineinzuversetzen und mit ihnen mitzufiebern. Lest unbedingt selbst nach, ob Katrin ihre Schreibblockade lösen kann und welche Herzen schlussendlich zusammenkommen.
Besonders hübsch finde ich die kleinen Illustrationen zu Beginn jedes Kapitels, die das Urlaubsfeeling nochmal verstärken. Am Ende gibt es noch ein paar Rezepte und weitere Illus in meeresblau.

Meine Lieblingsstellen aus dem Roman
„Vielleicht ist es genau das, was wir in unserem Leben sammeln sollten: unperfekte Momente, aus denen wir zufällig das Beste gemacht haben.“ S. 196
„Ich glaube, wir brauchen gar keinen Schlaf. Unser Geist muss endlich mal was erleben. Wir brauchen Abenteuer.“ S. 212
„Ich will nicht nur arbeiten und funktionieren. Ich will leben, ich will mich wieder glücklich verlieben, ohne Angst zu haben, dass der andere mir am Ende wehtut. Ich möchte für jemanden dieser eine Mensch sein.“ S. 232
„Im Grunde geht es darum, zu erkennen, dass es nicht Wichtigeres im Leben gibt, als sich im Meer treiben zu lassen und den Wolken am Himmel zuzuschauen. Und dass man aufhören sollte, zu versuchen, alles richtig zu machen. Denn damit nimmt man sich die Möglichkeit, jemals vollkommen glücklich zu sein. Weil niemals alles perfekt sein kann.“ S. 314
Beim Lesen habe ich mir diese Stellen markiert und erst jetzt, wo ich sie untereinander schreibe, fällt mir auf, dass sie alle wie ein Dialog zusammenpassen. Im Grunde geht es darum, das Leben zu genießen, sich nicht verrückt zu machen, um das Perfekte zu erreichen, denn gerade die unperfekten Momente sind doch die, die uns in Erinnerung bleiben.
Das Konzert, bei dem es in Strömen geregnet hat. Das Picknick, bei dem eine Möwe das Essen geklaut hat. Die Fahrradtour, bei der man einen Umweg von etlichen Kilometern gefahren ist und die schönsten Ecken entdeckt hat. Warum also streben wir so verzweifelt nach dem Perfekten und vergessen dabei, dass wir selbst diejenigen sind, die entscheiden, was perfekt ist? Wir müssten gar nicht mehr schlecht gelaunt durch die Gegend rennen und unsere Unzufriedenheit auf andere übertragen. Wir müssten nicht mehr nachts wach liegen und uns Gedanken machen, ob eine Präsentation für den Kunden auch gut genug ist. Wir müssten nichts müssen, sondern dürften einfach nur Sein und genießen. Zum Beispiel ein gutes Buch
Über die Autorin Meike Werkmeister
Schon zwei Mal durfte ich ein Schreib-Retreat mitmachen, bei dem Meike Werkmeister als Dozentin und Coach dabei war. Ihre Leidenschaft und Begeisterung für Geschichten ist richtig ansteckend und motivierend. Diese Energie kann ich heute noch abrufen, wenn ich mich zurückversetze in diese Wochen, in denen wir die Tastaturen haben glühen lassen.
Ihre Lesungen sind kurzweilig und unterhaltsam. Termine und weitere Infos findet ihr hier.